Darling, we're losing
those young journalists
«Dem Journalismus rennt der Nachwuchs davon, was können wir dagegen tun?» Genau diese Frage hat mir der Verein für Qualität im Journalismus gestellt. Am Journalismustag 2022 durfte ich sie beantworten. Das Resultat: Eine Vision von Journalismus, die auch unbequem ist – und wiederholt leichte Unruhe im Saal.
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„Was muss sich ändern?“ habe ich junge Journalist:innen gefragt und ihre Wünsche in 10 Punkten zusammengefasst.
Junge Menschen wünschen sich, dass sie ihre Stunden aufschreiben dürfen. Sie wollen keinen 9 to 5 Job, aber die Möglichkeit ihre Arbeitszeit aufzuschreiben und zu einer sinnvollen Zeit zu kompensieren.
Sie wünschen sich tatsächlich Journalismus machen zu dürfen, nicht nur SDA-Meldungen umzuschreiben. Journalismus heisst: rausgehen, recherchieren, einordnen. Ja, das ist aufwändig und kostet.
Junge Menschen wollen mehr angemessen bezahlte Arbeit. Praktika sind eine grossartige Sache, vor allem wenn man gut betreut wird. Aber nicht 4 Mal hintereinander. Junge Leute brauchen Perspektive.
Zudem sind schlecht bezahlte Praktika mitunter einer der Gründe, wieso gefühlt jede:r zweite Journalist:in Meier oder Müller heisst. Woher wir kommen hat einen grossen Einfluss darauf, welche Geschichten wir angehen und wie.
Junge Menschen wünschen sich, dass ihre Ideen gehört werden. Das sind Leute, die haben Energie. Die wollen keinen verstaubten Facebook-Account betreuen.
Junge Journalist:innen wollen wertgeschätzt werden. Natürlich kann man jetzt ketzerisch wieder von einer Generation der Schneeflocken reden. Aber mal ehrlich: Seit wann ist es uncool, nett zueinander zu sein?
Junge Menschen wollen keine Interviews führen, bei denen das Gegenüber merkt, wie schlecht man vorbereitet ist. Nicht weil wir keine guten Journalist:innen wären, sondern weil uns die Zeit dazu gefehlt hat.
Für die Chef:innen heisst das: Nach oben treten, nicht nach unten. Den Stress nicht ungefiltert weitergeben. Eine offene Fehlerkultur leben.
Let’s be real. Wir haben ein Sexismusproblem. Junge und verflucht talentierte Leute verlieren teilweise das Vertrauen in die Strukturen, wenn jeder – beziehungsweise vor allem jede weiss, wer im Unternehmen ganz klar Grenzen überschreitet, ohne dass es jemals Konsequenzen gab.
Es gibt Gründe, wieso sich unsere Generationen unterscheiden. Deswegen: Legt die Einstellung ab, die sagt: «War ja bei uns auch schon so, die sollen sich nicht so anstellen».
Junge, talentierte Journalist:innen werden die Branche wieder verlassen, wenn alles so bleibt, wie es jetzt ist. Und das ist nicht nur für den Journalismus brandgefährlich, sondern auch für unsere Gesellschaft. Richtig guter Journalismus benötigt richtig gute Leute.
Ich habe vor allem durch meine Arbeit bei den Jungen Journalist:innen gelernt, was passiert, wenn man gemeinsam anpackt.
Der Journalismus hat ein Nachwuchsproblem. Lasst es uns lösen.
Zusammen – und darum ist das wir wichtig. Und darum sind wir Jungen wichtig.